Der Judaslohn von Andree Hesse

Die Region zwis­chen Celle und der Auto­bahn 7, rund um Bergen, ist zu großen Teilen ein weißer Fleck auf der Land­karte. Hier liegt heute ein­er der größten Trup­penübungsplätze Europas. Bis 1936 jedoch gab es hier, rund um den zwei­thöch­sten »Berg« der Lüneb­urg­er Hei­de, den »Falken­stein«, 24 ganz nor­male Dör­fer mit über 5000 Ein­wohn­ern. Was ist aus ihnen gewor­den?
Die Nazis braucht­en für ihre Kriegsvor­bere­itun­gen natür­lich Raum und fassten dieses Gebi­et der Süd­hei­de ins Auge, was die Ein­heimis­chen mit Enteig­nun­gen und Umsied­lun­gen zu bezahlen hat­ten. Teils kon­nten sie in der Region bleiben, teils beka­men sie Land in Vor­pom­mern zugeteilt. Wir Men­schen wären nicht wir selb­st, wenn es in dieser Lage nicht auch Ver­rat und Vorteil­snahme gegeben hätte. Natür­lich bildete sich auf der anderen Seite auch Wider­stand, aber der wurde teuer bezahlt.
Vor diesem geschichtlichen Hin­ter­grund spielt der span­nende Hei­dekri­mi »Der Judaslohn« von Andree Hesse in der Gegen­wart. Er erzählt von der Aufk­lärung mehrerer Morde auf dem heuti­gen Trup­penübungsplatz bei Celle. Krim­i­nal­haup­tkom­mis­sar Arno Hen­nigs, ger­ade auf eige­nen Wun­sch von Berlin in seine Geburtsstadt ver­set­zt, soll den Fall klären. Ein junger englis­ch­er Sol­dat ist tot aufge­fun­den wor­den. Waren es vielle­icht islamis­che Ter­ror­is­ten, die sich für die Teil­nahme der Englän­der am Krieg gegen Sadam Hus­sein rächen woll­ten? Bei den Ermit­tlun­gen stößt Hen­nigs aber schnell auf ganz andere Hin­weise. In der Region gibt es viele Neon­azi Organ­i­sa­tio­nen, die sich regelmäßig in Dor­fkneipen tre­f­fen und die Ver­gan­gen­heit wieder aufleben lassen. Der Kom­mis­sar trifft aber auch auf Men­schen, die durch die Umsied­lung der Nazis ruiniert wur­den und auf solche, die damals gute Geschäfte gemacht haben.
Dieser Kri­mi ist kein bloßes Katz- und Mausspiel, son­dern beschäftigt sich sehr mit dem Geist der Men­schen in der Süd­hei­de. Er zeigt die Ver­flech­tun­gen mit deren Ver­gan­gen­heit auf. Sym­pa­thien und Antipathien, die sich auf den kleinen Dör­fern manch­mal über Jahrhun­derte hal­ten und tiefe Wurzeln haben. Hesse beschreibt die Region um Celle so detail­liert, dass man per­ma­nent alles vor Augen hat. Er schreibt inves­tiga­tiv aber trotz­dem sehr ver­söhn­lich. Man merkt ihm an, dass er selb­st aus der Gegend um Celle stammt, und seine Heimat liebt.
Ein span­nen­der und sehr lesenswert­er Hei­dekri­mi, dem man ein paar offene Erzählstränge gerne verzei­ht. Mich hat das Buch wun­der­bar unter­hal­ten und ganz neugierig auf dieses The­ma der »ver­schwun­de­nen Dör­fer« gemacht. Ich will unbe­d­ingt noch mehr darüber wis­sen…

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