Angerichtet von Herman Koch

Genial in sein­er Dop­peldeutigkeit ver­weist schon dieser Titel auf die tiefen Abgründe dieses Romans, was allerd­ings erst allmäh­lich in sein­er ganzen Trag­weite deut­lich wird. Vorder­gründig ist zunächst ein großar­tiges Menu in einem der vornehm­sten Restau­rants angerichtet für den aus­sicht­sre­ichen Bewer­ber um das Amt des Min­is­ter­präsi­den­ten Serge Lohmann, seinen Brud­er Paul und deren Ehe­frauen Babette und Claire. Paul, der Erzäh­ler des Romans, schildert detail­liert aber her­ablassend dis­tanziert und mit viel Humor, was für ein Aufheben in diesen Kreisen um das Essen, um die Per­son seines Brud­ers und um jede noch so kleine Geste oder Bemerkung gemacht wird. Er zeigt sich als „ein­er von uns“, ein durch­weg sym­pa­this­ch­er Kerl, dem das alles zuwider ist, der sich von Reich­tum, Macht und Etikette nicht blenden lässt und die Dinge auf ihr eigentlich­es Maß reduziert. Hin­ter der Fas­sade des kul­tivierten Weinken­ners und gewandten Poli­tik­ers Serge Lohmann enthüllt Paul für die Leser das Bild des jugendlichen Cola­trinkers, dessen bedeu­tend­ste Äußerun­gen in end­losen Rülpsern bestanden.

Noch bevor das Essen richtig anfängt, ist aber auch klar, dass es einen trifti­gen Grund für dieses Tre­f­fen gibt: die Kinder der bei­den Ehep­aare haben eben­falls etwas angerichtet, etwas so Schlimmes getan, dass es die heile Welt ihrer Fam­i­lien völ­lig aus dem Gle­ichgewicht brin­gen kann. Darüber wollen die Eltern eigentlich sprechen, aber das The­ma schwelt die ganze Zeit unter belan­glos­er Kon­ver­sa­tion. Kein­er ist sich­er, was der andere  weiß, wie viel er sagen dürfte, wenn er denn Worte fände und wie weit die Eltern­liebe berechtigt, alles doch ein­fach totzuschweigen.

Mit jedem Gang, der hier serviert wird, kom­men wir den Per­so­n­en etwas näher, erfahren  wir etwas mehr über das Unge­sagte und bekom­men immer wieder einen anderen Blick auf die Beteiligten. Der ursprünglich sym­pa­this­che Paul wird allmäh­lich sehr unheim­lich, während der abge­hobene Serge sich „dem Boden nähert“ und auch die bei­den Frauen ihr Pro­fil stark verän­dern. Hin­ter der glat­ten Fas­sade bleibt nur ein Trüm­mer­haufen, an dem der Leser auch nach dem Schluss noch eine ganze Weile aufzuräu­men hat.

Angerichtet hat mich wirk­lich fasziniert, begeis­tert und nach­haltig bewegt.


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