In einer anderen Haut von Alix Ohlin

Auf ein­er Langlauf­tour sieht die kanadis­che Psy­chother­a­peutin Grace plöt­zlich etwas vor sich auf der Loipe liegen. Als sie sich vor­sichtig nähert, erken­nt sie zu ihrem Entset­zen, dass es sich um einen Mann han­delt, der einen Strick um den Hals hat — ganz offen­sichtlich ein gescheit­ert­er Selb­st­mörder, der ein­fach im Schnee liegen geblieben ist. Sofort alarmiert sie den Ret­tungs­di­enst und begleit­et den Mann mit ins Kranken­haus. So weit so gut, doch Grace kann nun nicht ein­fach zum All­t­ag zurück­kehren und den Mann vergessen, und so gibt sie sich als seine Ehe­frau aus, begleit­et ihn nach Hause und bleibt sog­ar über Nacht, um ihn aus sein­er Depres­sion zu holen. Tug — so der Spitz­name des Mannes — ver­hält sich anfangs zwar abweisend Grace gegenüber, aber sie sucht auch in den kom­menden Wochen immer wieder den Kon­takt, und irgend­wann entste­ht eine Liebes­beziehung zwis­chen den bei­den. Doch nach wie vor gibt es dun­kle Zeit­en in Tugs Leben, und er offen­bart sich Grace nicht völ­lig.
Dies ist nur eine der Geschicht­en, die sich durch das Buch »In ein­er anderen Haut« von Alix Ohlin ziehen. Neben dieser erfahren wir außer­dem viel über eine von Graces ehe­ma­li­gen Pati­entin­nen, die Bor­der­liner­in Anne, und über das Leben von Mitch, Graces Exmann.
Auch Mitch bemüht sich haupt­beru­flich, anderen Leuten zu helfen, denn auch er st Ther­a­peut von Beruf. Anne hinge­gen, die ich­be­zo­gene Tochter aus »gutem«, aber lieblosem Hause, haut eines Tages ein­fach von zu Hause ab und baut sich ein neues Leben in New York auf. Sie ver­schwen­det wed­er weit­ere Gedanken an ihre Eltern noch an irgendwelche Lieb­haber, und auch sich selb­st behan­delt sie wenig liebevoll. Doch eines Tages liegt in ihrem Haus­flur eine Pen­ner­in — wie sich her­ausstellt, ein junges Mäd­chen, das von zu Hause aus­geris­sen ist. Und aus­gerech­net Anne nimmt sie bei sich auf.
Es ist ein­fach span­nend, die Geschicht­en der drei Pro­tag­o­nis­ten zu ver­schiede­nen Zeit­punk­ten zu ver­fol­gen und zu sehen, wie unter­schiedlich Men­schen sein kön­nen. Alle Haupt­per­so­n­en in diesem Roman zeich­nen sich dadurch aus, dass sie anderen behil­flich sind — teils aus Beru­fung und Lei­den­schaft, teils nur durch Zufall und beina­he gegen ihren Willen. Dabei gelingt es jedoch keinem, sich wirk­lich in andere Per­so­n­en hineinzu­ver­set­zen, denn nie­mand kann tat­säch­lich aus sein­er Haut. Auch die Erfolge der Bemühun­gen sind sind jew­eils sehr unter­schiedlich. Am tragis­chsten wird dies deut­lich am Beispiel von Tug, der jahre­lang als Entwick­lung­shelfer aus Lei­den­schaft tätig war, und daran let­z­tendlich zer­bricht, wom­it er nicht nur sich selb­st, son­dern auch noch viele Men­schen in sein­er Umge­bung in Verzwei­flung stürzt. Doch sind auch ver­söhn­liche und schöne Geschicht­en möglich.
Ein »süf­figes« und sehr lesenswertes Buch über die ver­schiede­nen Facetten der men­schlichen Psy­che, ver­schiedene For­men der Liebe und auch der Hil­fs­bere­itschaft. In Ameri­ka und Kana­da hat Alix Ohlin für ihre Büch­er bere­its viele Preise gewon­nen, und auch der berühmt Autor J. M. Coet­zee preist sie als eine »beg­nadete Autorin«. »In ein­er anderen Haut« ist nun das erste Werk der kanadis­chen Autorin, welch­es ins Deutsche über­set­zt wurde. JR

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