Wunderlich ist kreuzunglücklich, als ihn seine Freundin Marie verlässt. „Sein größtes Glück hatte sich durch einen einzigen Satz in sein größtes Unglück verwandelt und ihm Glück gewünscht. Das ergab überhaupt keinen Sinn.“ (S.6) Und dann wird es erst richtig wunderlich, denn plötzlich schreibt ihm sein Telefon anonym Kurznachrichten. Wunderlich hält dies für eine moderne Form des „Stimmen Hörens“, ist aber bei aller Verwirrung ganz froh, dass sich „jemand“ für ihn interessiert. So seltsam die anonymen Botschaften auch sind, kann er sich ihnen doch nicht entziehen und lässt sich durch sie schließlich aus seiner Verzweiflung reißen. Nach Jahren will er wieder einmal eine Reise unternehmen: nach Norden. Wunderlich ist ein bescheidener und zurückhaltender, ‚ganz normaler Typ‘, der alles gern unter Kontrolle hat. Aber diesmal gelingt es ihm, sich einfach treiben zu lassen. Er steigt aus, wo es sich gerade ergibt und trifft Menschen, die allesamt eher auf der Verliererseite angesiedelt sind, ihm aber sehr schnell ans Herz wachsen. Ständig zieht er sich irgendwelche Verletzungen zu und sieht sehr schnell völlig lädiert und heruntergekommen aus. Innerlich entwickelt er sich dabei allerdings insofern weiter, als er sich endlich einmal selbst mag. Insgesamt ist er acht Tage unterwegs, die sein Leben und seine Selbstwahrnehmung ordentlich umkrempeln, ja auch seine Wahrnehmung allgemein verändern. Am Ende ist ihm gar nicht mehr so recht klar, was tatsächlich passiert ist, was Traum, was Wirklichkeit war und ob es nicht vielleicht noch eine Ebene dazwischen gibt. Was zählt, ist eben einfach der Moment, den man intensiv leben muss — egal für wie real die restliche Welt dieses Leben hält.
„Wunderlich fährt nach Norden“ ist eine wunderbar verträumte Reisegeschichte, die Marion Brasch in einer herrlichen Sprache ganz luftig leicht erzählt. Man spürt einfach den Sommer beim Lesen. „Abgesehen von dem schlimmen Traum hatte er gut geschlafen, der Alkohol hatte ihm tatsächlich die Mücken vom Hals gehalten. Jedoch nicht den Hunger, der hatte sich aus seinem Magen eine riesige schwarze Höhle gebaut, in der er herumlag und knurrte.“ (S 191) Für solche Sätze liebe ich dieses Buch!