Im Frühjahr des Jahres 1945 stehen die kleine Vera und ihre Mutter als Flüchtlinge aus Ostpreußen plötzlich vor der Tür des Eckhoff-Hofes im Alten Land. Notgedrungen werden die beiden aufgenommen, und trotz
aller Antipathien und Schwierigkeiten verbringt zumindest Vera fast ihr ganzes Leben in ebendiesem Haus.
Schon immer war Vera etwas eigenwillig und tat, was sie sich in den Kopf gesetzt hatte, und mit dem Alter wurden diese Eigenschaften nicht schwächer — im Gegenteil. Doch eines Tages bekommt die eigenbrötlerische Frau auf einmal Gesellschaft auf ihrem Hof: Ihre Nichte Anne steht mit dem kleinen Sohn vor der Tür. Die beiden Frauen kennen sich nur von sporadischen kurzen Besuchen, doch Anne befindet sich in einer Notlage und weiß nicht wohin sie sonst gehen kann. Nachdem Anne ohnehin schon seit längerem eigentlich die Nase voll hat von den Ottenser Bio-Vollwert-Muttis (Zitat: »Sie kaufte ihm (Anm.: ihrem Sohn) ein Brötchen, für sich selbst einen Cappuccino im Pappbecher, und schob die Kinderkarre Richtung Fischerspark, reihte sich ein in den Treck der Ottenser Vollwert-Mütter, die jeden Tag aus ihren Altbauwohnungen strömten, um ihren Nachwuchs zu lüften, die Einkäufe aus dem Bio-Supermarkt im Netz des Testsieger-Buggy, den Kaffeebecher in der Hand und im Fußsack aus reiner Schafwolle ein kleines Kind, das irgendetwas Durchgespeicheltes aus Vollkorn in der Hand hielt.«) und auch ihr Job nicht gerade ein Traum ist, hat sie zu allem Überfluss ihren Partner in flagranti mit einer anderen erwischt und will nur noch weg. Der Hof im Alten Land nimmt also auch diese Flüchtlinge auf. So finden auf einmal zwei völlig unterschiedliche Frauen zueinander, die zwar miteinander verwandt sind, sich jedoch kaum kennen, und die Vergangenheiten der unterschiedlichen Familien-Mitglieder verlangen immer drängender nach Aufmerksamkeit. Und ganz allmählich finden sie beide, was sie im Leben nie wirklich hatten: Geborgenheit.
Dieses zauberhafte Buch hat mich wirklich begeistert. Es erzählt auf teilweise höchst amüsante und kurzweilige Art z.B. davon wie die vollkommen Landlust-begeisterten Hamburger die Landbevölkerung nerven, wie Anne auf die Ottenser Supermütter trifft, wie Vera mit ihrer spröden Art sich wenig Freunde macht, wie Anne die Probleme mit ihrer Mutter und dem Vater ihres Sohnes angeht und vieles mehr. Außerdem hat es aber auch wirklich Tiefgang, wenn es um die Aufarbeitung der Vergangenheit und der Familienprobleme geht. Zudem fand ich es einfach nett, ein so gutes Buch mit ein bisschen Lokalkolorit (so weit weg ist das Alte Land ja nicht von der Lüneburger Heide) und mittendrin einigen plattdeutschen Schnacks zu lesen. JR
Liebe Julia,
Sie haben Recht, dass ist wirklich ein wundervolles Buch! Vielen Dank für die Besprechung.
VG Sabine