Die Frau, die Gandhi liebte von Sudhir Kakar

Im Oktober 1925 macht sich Madeleine Slade, Tochter eines britischen Admirals, auf den Weg nach Indien. Ihr Ziel war kein geringeres als mit Mahatma Gandhi zu leben. Sie hatte ihm geschrieben, dass sie den unbedingte Wunsch hegte, zu ihm zu ziehen und in seinem Ashram zu leben. Gandhi hatte ihr tatsächlich geantwortet:
»Liebe Freundin, ich muss Sie um Verzeihung dafür bitten, dass ich nicht früher geschrieben habe. Ich bin beständig auf Reisen gewesen… … Ich bin froh darüber, dass Sie sich, anstatt Ihrem ersten Impuls zu gehorchen, entschlossen haben, sich für das Leben hier zu schulen und sich Zeit zu lassen. Wenn Sie nach einem Jahr der Selbstprüfung noch immer den gebieterischen Wunsch haben, zu kommen, tun Sie wahrscheinlich richtig daran…«
Selbst ihre Eltern versuchten sie nicht mehr daran zu hindern, nachdem sie ihnen erklärt hatte, dass es ihr innerstes spirituelles Bedürfnis sei, in Indien zu leben. Dies, obwohl ihr Vater aller höchste Verbindungen hatte und Gandhi nichts weniger als die personifizierte Hoffnung Indiens auf die Befreiung vom britischen Kolonialjoch, und somit Englands Staatsfeind Nr. 1 war.
Mira, so nannte Gandhi Madeleine später, musste in Indien durch eine harte Schule gehen. Ihr schlug vor allem von den anderen Frauen, die im Ashram lebten, viel Missgunst entgegen. Doch sie setzte sich durch und wurde zu einer der wichtigsten Vertrauten Gandhis. Während er sich von seiner Umgebung völlig unabhängig machen wollte, suchte sie, die ihn zutiefst verehrte, seine absolute Nähe, um sich ihm völlig auszuliefern.
Der Autor erzählt weitestgehend wahrheitsgetreu. Er beschreibt es selbst so, dass wenn man das Buch mit einer Wand vergleichen würde, die Fakten die Steine wären und seine Phantasie der Mörtel. Auf einen reichen Fundus von Briefen und Dokumenten gestützt, erzählt Sudhir Kakar, wie sich diese höchst ungleiche Beziehung zwischen der 33-jährigen Engländerin und dem 56-jährigen indischen Rechtsanwalt entwickelte. Wie Gandhi sie aufnahm, wie sie in seine politische Mission hineinwuchs, wie sich das Verhältnis der beiden entwickelte.
Ein hervorragendes Buch, das einen wichtigen Abschnitt der Geschichte des 20. Jahrhunderts beschreibt und in teilweise neuem Licht erscheinen lässt.

Bisher keine Kommentare.

Schreibe einen Kommentar

Powered by WordPress. Designed by WooThemes