Kann man sich verlieben ohne den anderen je gesehen zu haben? Ohne überhaupt im Mindesten die Absicht oder das Bedürfnis zu haben sich zu verlieben? Ja, ganz sicher.
Wie, das zeigen Emmi Rothner und Leo Leike in ihrem E-Mail Schriftverkehr, aus dem dieser Roman besteht. Emmi will eigentlich nur eine Zeitschrift abbestellen, als ihre E-Mail versehentlich bei Leo landet, der sie in seiner Antwort freundlich auf ihren Irrtum hinweist. Nachdem dieses Missgeschick sich mehrfach wiederholt, werden die Nachrichten ganz unmerklich etwas persönlicher. Unverbindlich aber dennoch interessiert erkundigen die beiden sich nach den jeweiligen Lebensumständen des anderen, stellen also fest, dass sie glücklich verheiratet und er schon lange liiert ist. So, das denken sie zumindest, können sie sich ganz unbefangen weiterschreiben, weil sie ja nichts voneinander wollen. Aber anders als bei der zwanglosen Unterhaltung beim Kaufmann um die Ecke, tauschen sie schnell recht persönliche Nachrichten aus, schreiben einander über Dinge, die sie im Alltag in dieser Form kaum besprechen können und lernen sich dadurch sehr intensiv kennen – und lieben, auch wenn sie sich das beide nicht recht eingestehen wollen.
Wäre es denn überhaupt erlaubt? Schließlich sind sie mehr oder weniger fest gebunden. Ist eine virtuelle Beziehung, eine, die nur aus Worten, nur aus geschriebenen Worten besteht, eigentlich real? Es gibt keine Begegnung, keinen Blickkontakt, keine Berührungen, noch nicht einmal den Austausch von Fotos, von handgeschriebenen Briefen, von Adressen oder Telefonnummern, keine Anrufe, einfach nichts Greifbares zwischen Emmi und Leo. Da sind nur E-Mails, schwebende Worte im weltweiten Netz, die sie einander so nahe bringen. Worte die verzaubern ohne viel Handfestes auszusagen. Sprachlich brillante, intelligente Überlegungen dazu, ob sie dürfen, was sie tun, was sie einander sagen dürfen ohne Ihre Anonymität aufzugeben und wo möglicherweise die Grenzen zum Betrug an ihren Partnern liegen.
Wie weit und wohin E-Mails dieser Qualität führen können, lohnt sich nachzulesen. Wunderschön.
„Gut gegen Nordwind“ ist übrigens auch in der Hörbuchfassung, gelesen von Andrea Sawatzki und Christian Berkel ein besonderer Genuss.
Für Romantiker wohl genau das Richtige.
Für Realisten etwas zu weit hergeholt. Ich persönlich fand „Gut gegen Nordwind“ zu kitschig. Eine alte Geschichte, die durch den modernen E-Mail Verkeher wieder auferlebt wurde. Als gute Bettlektüre schön zu lesen, für anspruchsvolle Leser jedoch eher nicht zu empfehlen.
Auch als anspruchsvolle Leserin und Buchhändlerin habe ich „Gut gegen Nordwind“ genossen und mehrfach verschenkt und empfohlen. Eine romantische, wenn auch alte, Geschichte die einfach nur unterhalten soll. Und das ist ihr gelungen!