Ruhm von Daniel Kehlmann

Einen ‚Roman in neun Geschichten‘ nennt Daniel Kehlmann sein gerade erschienenes Buch, in dem er sich mit den neuen Technologien Handy und Internet auseinandersetzt und auf sehr unterhaltsame Weise beschreibt, welchen Einfluss sie auf unser Leben gewinnen können. Er zeigt voller Ironie und Witz, wie leicht unsere moderne Welt durch eine doppelt vergebene Handynummer, einen Netzwerkfehler, einen leeren Akku oder ein Klingeln im falschen Moment aus den Fugen geraten kann.
Da bekommt ein bisher handyloser Computertechniker durch einen technischen Fehler plötzlich Zugang zum Privatleben einer Berühmtheit, während an einer anderen Stelle ein bekannter Schauspieler aus seiner Identität schlüpft und den Rückweg nicht findet. Ein internetsüchtiger Blogger muss sich in einem vom weltweiten Netz abgeschnittenen Hotel aufhalten und ist dabei auch noch den Blicken echter Menschen ausgesetzt. Eine bekannte Krimiautorin verliert sich durch einen leeren Akku in der Wüste und ein an sich bedeutungsloser Abteilungsleiter verheddert sich hoffnungslos in seinem gewagten Doppelleben. Ein Schriftsteller ist mal in und dann wieder über der Geschichte, die an sich sowohl Wirklichkeit als auch Fiktion sein kann. Die Grenzen sind fließend. In jeder der beschriebenen Situationen scheint die Wirklichkeit am anderen Ende der Leitung realer und erstrebenswerter als die, in der sich die Person tatsächlich befindet.
Dabei sind die einzelnen Geschichten sehr kompakt und jeweils unabhängig voneinander lesbar, aber trotzdem durch ganz unterschiedliche Arten von Querverweisen miteinander verwoben. Gerade diese mitunter in kleinsten Details verborgenen Bezüge bieten einen Anlass, das Buch mehrmals zu lesen. Wer alle Verknüpfungen erfassen will, muss schon sehr genau danach suchen.
Durch die Abgeschlossenheit der Erzählungen wirkt die Bezeichnung ‚Roman‘ hier fast so ironisch wie der Titel „Ruhm“. Letzterer wird aus ganz unterschiedlichen Perspektiven gezeigt: Die einen haben ihn und versuchen ihm zu entkommen, einer bekommt ihn inkognito über sein Telefon, die andere fürchtet sich vor ihm, während noch einer ihn unbedingt erlangen will, dazu aber so gar keine Voraussetzungen mitbringt.
Ein Roman wird daraus allenfalls im Kopf des Lesers, wenn er Kehlmanns Anregungen zum Mit- und Nachdenken aufgreift und den Freiraum nutzt, den ihm der knappe und leichte Stil für eigene Gedanken lässt.

  1. Marianne 24. Februar 2009 at 11:24 #

    Ein Roman, der förmlich danach schreit: Verfilm mich! Ich kann die einzelnen Charaktere vor meinen Augen sehen. Gefiel mir noch deutlich besser als die Vermessung der Welt, die doch deutliche Längen hatte.

  2. Michael Vieten 4. September 2009 at 16:29 #

    Sehr schöne Beispiele dafür, wie sehr man gerade heute darauf achten sollte, wieviel Technik man sich in sein Leben holt.

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