Bevor der Regen fällt von Jonathan Coe

Im Zen­trum dieses Romans ste­ht eine englis­che Fam­i­liengeschichte über drei Gen­er­a­tio­nen, aufgenom­men auf vier Cas­set­ten von ein­er alten Dame in den let­zten Stun­den ihres Lebens für ihre seit Jahren ver­schol­lene Großnichte Imo­gen. Nach dem plöt­zlichen Tod ihrer allein ste­hen­den, kinder­losen Tante Rosa­mond ist Gil ver­ant­wortlich für den Nach­lass. Bei ihrem ersten Besuch in der ver­wais­ten Woh­nung find­et sie neben dem Ses­sel, in dem Rosa­mond ver­stor­ben ist, die besagten Cas­set­ten, einen Stapel Fotos und die handgeschriebene Bitte an sie, dieses Ver­mächt­nis ihrer Tante der im Kinde­salter erblind­e­ten und anschließend von ein­er frem­den Fam­i­lie adop­tierten Imo­gen zu übergeben. 

Trotz inten­siv­er Suche gelingt es Gil und ihren bei­den erwach­se­nen Töchtern nicht, die junge Frau aufzus­püren, so dass sie sich let­z­tendlich die Bän­der selb­st anhören. Rosa­mond wen­det sich in der Auf­nahme direkt an die blinde Imo­gen und ver­sucht ihr ins­ge­samt zwanzig Fam­i­lien­fo­tos genau zu beschreiben, die abge­bilde­ten Per­so­n­en und die Umstände der Auf­nahme zu erk­lären und Imo­gen so ein möglichst exak­tes Bild ihrer Fam­i­lie zu hin­ter­lassen. Dabei geht sie beson­ders auf die Frauen — ihre Tante Ivy, ihre Cou­sine Beat­rix und deren Tochter Thea, Imo­gens Mut­ter — ein und wid­met sich deren Beziehun­gen zueinan­der. Dadurch will sie Imo­gen nicht nur ihre Herkun­ft erk­lären son­dern auch die Umstände, die zu ihrer frühen Erblind­ung führten. 

In ihren Schilderun­gen zeich­net Rosa­mond ein gelun­ge­nes Por­trait der englis­chen Gesellschaft von den frühen vierziger Jahren bis heute und enthüllt gle­ichzeit­ig, was für Abgründe sich hin­ter ein­er nach außen heilen Fam­i­lien­fas­sade auf­tun kön­nen.

Indem sie die exak­te Beschrei­bung der Fotos mit den Hin­ter­grün­den der betr­e­f­fend­en Sit­u­a­tion verknüpft, macht Rosa­mond deut­lich, dass nichts so ist, wie es scheint und dass man das, was wirk­lich ist, häu­fig über­haupt nicht sehen kann. Wo für die Gesellschaft alles in bester Ord­nung ist, herrschen hier tat­säch­lich Lieblosigkeit, Ver­ach­tung und Gewalt, während dort, wo das Leben von der Norm abwe­icht, das vol­lkommene Glück ver­bor­gen sein kann. Let­zteres ist allerd­ings dadurch definiert, dass es irgend­wann zu Ende geht… 

 

Der Regen bevor er fällt ist ein inter­es­sant aufge­bautes, wun­der­voll erzähltes melan­cholis­ches Buch. Der Ver­such Coes hin­ter den geschilderten Ereignis­sen einen über­ge­ord­neten Plan oder mys­tis­chen Zusam­men­hang zu suchen, wirkt zwar sehr kon­stru­iert und einige Teile der Geschichte sind recht unre­al­is­tisch, aber darüber kann man gut hin­wegse­hen und das Lesev­ergnü­gen uneingeschränkt genießen.

1 Kommentar zu „Bevor der Regen fällt von Jonathan Coe“

  1. Grauen­voll gut beschriebene Fam­i­lien­dra­men. Für meinen Geschmack passt das Ende nicht. Man kann die Haupt­darstel­lerin nicht ein­fach ster­ben lassen ohne ihre Geschichte von ihrer Seite zu ken­nen. Sie kommt nicht ein­mal zu Wort. Man legt das Buch irgend­wie ent­täuscht zurück.

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Nach oben scrollen