Endlich ist er übersetzt, der letzte Teil der Neshov-Trilogie, auf den alle Leser der „Einsiedlerkrebse“ seit der letzten Seite ganz gespannt warten. Hier wird nun aufgeklärt, wie der Selbstmordversuch des Schweinezüchters Tor ausgegangen ist und ob es auf dem heruntergekommenen Hof in der wunderschönen norwegischen Fjordlandschaft eine Zukunft für die Familie Neshov gibt. Pläne hat so ziemlich jeder, aber ist es möglich, einen normalen Hofbetrieb mit einem Bestattungsunternehmen und einem ausgefallenen homosexuellen Familienexperiment zu kombinieren?
Die drei Brüder Neshov, Tor der Schweinezüchter, Margido der Bestatter und Erlend der schwule Schaufensterdekorateur sind seit der gemeinsamen Kindheit auf dem Hof Wege gegangen, wie sie unterschiedlicher nicht sein können und hatten jahrelang keinen Kontakt mehr zueinander. Nun sollen diese Wege plötzlich wieder zusammengeführt werden. Spannung und Spannungen sind vorprogrammiert, zumal ja auch Tors unehe-
liche Tochter Torunn als Anerbin des Hofes ein Wörtchen mitzureden hat und ihre Zukunftspläne für alle Beteiligten eine sehr wichtige Rolle spielen. Allerdings hat sie ihre Familie im zarten Alter von sechsunddreißig Jahren überhaupt erst kennen gelernt und von Landwirtschaft so gut wie gar keine Ahnung. Aber der Hof muss betrieben werden, so verlangen es die gesetzlichen Vorschriften.
Der Betriebshelfer Kai Roger steht Torunn mit Rat und Tat zur Seite und macht ihr eifrig den Hof, der pflegebedürftige Großvater hängt an ihr als erster und einziger Vertrauensperson in seinem ganzen Leben und die Onkel überhäufen sie mit hochfahrenden Plänen. Erlend reist aus Kopenhagen an mit seinem Partner Krumme und einem Lesbenpaar, das sich mit den beiden den lang gehegten Kinderwunsch erfüllt. Dazu haben sie noch einen weltberühmten Architekten im Schlepptau, der die leer stehenden Silos in Designerwohnungen verwandeln soll, während Margido am anderen Ende des Hofes sein Sarglager einrichten will.
Anne Ragde schildert die Ereignisse auf Neshov so bildhaft und eindringlich, dass es eigentlich nur konsequent wäre, diese Geschichte zu verfilmen. Jedenfalls kann man sich beim Lesen die tollsten Szenarien vorstellen und sich hervorragend unterhalten lassen. Nebenbei wirkt die Lektüre gewissermaßen als Familientherapie. Wer zu Hause nicht viel Abwechslung hat, wird den Bedarf daran mit diesem Buch für längere Zeit decken können und wer die eigene Familie manchmal ein bisschen satt hat, wird sie nach diesem Buch mit ganz neuen, liebenden Augen sehen. Die meisten „normalen“ Familienkatastrophen erweisen sich plötzlich als absolut harmlos. Aber Spaß macht es eben doch, hinter die Fassade dieser bunt zusammen gewürfelten Bauernfamilie zu schauen.
Wer quer in die Trilogie einsteigen möchte, kann dies sicher problemlos tun. Es lohnt sich allerdings, vorher „Das Lügenhaus“ und „Einsiedlerkrebse“ (in dieser Reihenfolge !) zu lesen.