Genial in seiner Doppeldeutigkeit verweist schon dieser Titel auf die tiefen Abgründe dieses Romans, was allerdings erst allmählich in seiner ganzen Tragweite deutlich wird. Vordergründig ist zunächst ein großartiges Menu in einem der vornehmsten Restaurants angerichtet für den aussichtsreichen Bewerber um das Amt des Ministerpräsidenten Serge Lohmann, seinen Bruder Paul und deren Ehefrauen Babette und Claire. Paul, der Erzähler des Romans, schildert detailliert aber herablassend distanziert und mit viel Humor, was für ein Aufheben in diesen Kreisen um das Essen, um die Person seines Bruders und um jede noch so kleine Geste oder Bemerkung gemacht wird. Er zeigt sich als „einer von uns“, ein durchweg sympathischer Kerl, dem das alles zuwider ist, der sich von Reichtum, Macht und Etikette nicht blenden lässt und die Dinge auf ihr eigentliches Maß reduziert. Hinter der Fassade des kultivierten Weinkenners und gewandten Politikers Serge Lohmann enthüllt Paul für die Leser das Bild des jugendlichen Colatrinkers, dessen bedeutendste Äußerungen in endlosen Rülpsern bestanden.
Noch bevor das Essen richtig anfängt, ist aber auch klar, dass es einen triftigen Grund für dieses Treffen gibt: die Kinder der beiden Ehepaare haben ebenfalls etwas angerichtet, etwas so Schlimmes getan, dass es die heile Welt ihrer Familien völlig aus dem Gleichgewicht bringen kann. Darüber wollen die Eltern eigentlich sprechen, aber das Thema schwelt die ganze Zeit unter belangloser Konversation. Keiner ist sicher, was der andere weiß, wie viel er sagen dürfte, wenn er denn Worte fände und wie weit die Elternliebe berechtigt, alles doch einfach totzuschweigen.
Mit jedem Gang, der hier serviert wird, kommen wir den Personen etwas näher, erfahren wir etwas mehr über das Ungesagte und bekommen immer wieder einen anderen Blick auf die Beteiligten. Der ursprünglich sympathische Paul wird allmählich sehr unheimlich, während der abgehobene Serge sich „dem Boden nähert“ und auch die beiden Frauen ihr Profil stark verändern. Hinter der glatten Fassade bleibt nur ein Trümmerhaufen, an dem der Leser auch nach dem Schluss noch eine ganze Weile aufzuräumen hat.
Angerichtet hat mich wirklich fasziniert, begeistert und nachhaltig bewegt.
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