Eva schläft von Francesca Melandri

Dieser Roman ist genial für Leser, die alles auf einmal wollen: Geschichte, Liebe, Italien, ansprechende Literatur und richtig viel lesen.
Eva ist inzwischen Anfang 40 und reist mit dem Zug von den gletscherbedeckten Bergen ihrer Heimatregion Alto Adige, wie die Südtiroler ihr Land seit dem Anschluss an Italien nennen müssen, bis nach Reggio Calabria im äußersten Süden, 1397 Kilometer, auf denen sie ausreichend Gelegenheit findet, über ihr Leben nachzudenken, das Land zu bewundern und die Mitreisenden zu beobachten. Sie ist auf dem Weg zu Vito Anania, dem einzigen Mann, den sie je als Vater betrachten durfte und der ihre ledige Mutter Gerda Huber wirklich geliebt hat.
Parallel zu Evas Reise erzählt Francesca Melandri ausführlich die Geschichte der Familie Huber und der Provinz Südtirol von 1919 bis 1996. Dadurch, dass Südtirol am Ende des Ersten Weltkriegs Italien zufällt, werden die deutschstämmigen Bewohner über Nacht praktisch zu Ausländern in ihrer eigenen Heimat. Hermann Huber verliert in dieser Zeit beide Eltern und die Fähigkeit zu lieben, wird später von den Nazis so angezogen, dass er sogar seinen besten Freund zusammenschlägt und schließlich das Land verlässt. Als er nach dem Krieg kleinlaut zurückkommt, ist sein Hof von Italienern bewohnt und die Hubers müssen mit ihren drei Kindern im Elendsquartier siedeln. Die wunderschöne Tochter Gerda schicken sie schon mit 16 aus dem Haus zur Arbeit als Küchenhilfe in einem Hotel. Obwohl Gerda das übliche Schicksal der als „Matratzen“ bezeichneten Hilfsmädchen erspart bleibt, ist sie schon nach dem ersten Heimaturlaub mit Eva schwanger, wird von den Eltern endgültig vor die Tür gesetzt und kann nur dank der Hilfe des Chefkochs ihre Arbeitsstelle behalten. Die Voraussetzung dafür ist allerdings, dass Eva schläft oder jedenfalls weder zu sehen noch zu hören ist.
Gerda liebt ihre Tochter über alles und kämpft tapfer gegen alle Schwierigkeiten und Vorurteile, aber eine uneheliche Tochter, ein sehr deutscher Name, ein für den Terrorismus kämpfender Bruder, ein liebloser Vater, der Nazi war und eine freizügige Lebenseinstellung sind eine schwere Hypothek, die nur Vito Anania wirklich mit ihr tragen will. Mit ihm erleben Gerda und Eva die ganz große Liebe und die glücklichste Zeit ihres Lebens.

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