In Zeiten des abnehmenden Lichts von Eugen Ruge

In diesem Roman span­nt Eugen Ruge einen Bogen über vier Gen­er­a­tio­nen der Fam­i­lie Umnitzer von Exil und Ver­ban­nung in Mexiko und Sibirien über den hoff­nungsvollen Neube­ginn in der auf­streben­den DDR der 50er Jahre bis zum Zusam­men­bruch im Herb­st 1989 und dem sicheren Unter­gang 2001. Die überzeugten Altkom­mu­nis­ten Wil­helm und Char­lotte dür­fen Anfang der 50er Jahre endlich aus dem mexikanis­chen Exil zurück­kehren, um voller Taten­drang beim Auf­bau ein­er strahlen­den DDR mitzuwirken. Wenige Jahre später kommt auch Char­lottes Sohn Kurt nach 20 Jahren Lager­haft und Ver­ban­nung aus der UdSSR mit sein­er rus­sis­chen Frau Iri­na in den jun­gen Staat heim. Als überzeugte Parteigenossen und ver­di­ente Kämpfer für die kom­mu­nis­tis­chen Ide­ale haben sie gute Auf­stiegschan­cen und brin­gen es zu ordentlichem Wohl­stand. Der kleine Alexan­der, Iri­nas und Kurts Sohn, wird in eine heile, sozial­is­tis­che Welt hineinge­boren. Aber hin­ter der Fas­sade begin­nt es langsam zu bröck­eln. Kurt und Char­lotte fühlen sich immer stärk­er vom Sys­tem gewürgt und beengt, während Wil­helm unbeir­rt und dumpf an der Parteispitze glänzen kann. Alexan­der ver­sucht sich zunächst wie jed­er nor­male Teenag­er von seinen Eltern und ihren Überzeu­gun­gen abzu­gren­zen, wird beim Mil­itär in sein­er Ablehnung wesentlich bestärkt und entwick­elt sich während des Studi­ums zum echt­en Sys­temgeg­n­er und Aussteiger.
Der zen­trale Tag dieses Romans ist der 1. Okto­ber 1989, Wil­helms 90. Geburt­stag, der groß gefeiert und aus 6 unter­schiedlichen Per­spek­tiv­en geschildert wird. An diesem Tag tre­f­fen viele Gegen­sätze hart aufeinan­der: Unaufrichtige Parteigenossen hal­ten krampfhaft-the­atralis­che Lobre­den und ver­lei­hen den üblichen Orden an den Jubi­lar, der das alles kaum noch mit­bekommt und lieber das Dien­st­mäd­chen begrap­scht. Sin­gende Pimpfe deko­ri­eren eine Fas­sade, hin­ter der die Repub­lik­flucht des Enkels Alexan­der um jeden Preis ver­heim­licht wer­den muss. Vater Kurt ver­sucht mit sein­er ver­wirrten, rus­sis­chen Schwiegermut­ter am Arm noch einen Anstands­be­such, während Iri­na im per­fek­ten Design­er­schlafz­im­mer ihre Ent­täuschung allmäh­lich im Alko­hol ertränkt. Am Ende des Tages ste­ht der totale Zusam­men­bruch — nicht nur des reich­halti­gen Buf­fets, das aus­gerech­net unter dem Parteisekretär zu Boden kracht…
Eugen Ruge erzählt mit Humor, Genauigkeit und einem sicheren Gespür für Untertöne und Atmo­sphäre eine wirk­lich beein­druck­ende Deutsch­landgeschichte, die die Ursachen und Fol­gen dieses Staat­sun­ter­gangs (be)greifbar macht. Her­rlich zu lesen!

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