Vor ziemlich genau 500 Jahren, an Allerheiligen 1512, wurde Michelangelo Buonarottis gerade vollendetes Fresko in der Sixtinischen Kapelle zum ersten Mal der Öffentlichkeit gezeigt. Im vorliegenden Roman lässt uns Leon Morell an seiner Entstehung unmittelbar teilhaben. Von der tiefen Demütigung Michelangelos durch Papst Julius, als dieser ihm, dem Bildhauer, den Auftrag erteilt, die 12 Apostel an die „Decke einer Kapelle zu pinseln“ über die handwerklichen, künstlerischen, poltischen und wirtschaftlichen Schwierigkeiten, die die Fertigstellung behindern, bis zur umjubelten Präsentation des Werkes, das die künstlerische Welt nachhaltig verändern sollte, dürfen wir die Arbeiten aus nächster Nähe verfolgen.
Erzählt wird aus der Perspektive des jungen Aurelio, der 1508 ganz unbedarft und naiv den elterlichen Bauernhof verlässt, um in der großen Stadt Rom sein Glück zu finden und Bildhauer zu werden. Er steht dem ausschweifenden Leben, den Machtkämpfen und Intrigen, dem Reichtum und Glanz des Vatikans sowie dem unglaublichen Elend der Gescheiterten genauso staunend-verwirrt gegenüber wie ein Leser aus dem 21. Jahrhundert und ist deshalb ein hervorragender Führer durch die Geschichte. Es gelingt Aurelio tatsächlich, den berühmten Michelangelo in der unübersichtlichen Fülle von Menschen aufzuspüren und sich als Gehilfe des Meisters zu verdingen. Aufmerksamkeit erregt dabei allerdings nicht sein künstlerisches Talent, sondern seine bildschöne äußere Erscheinung und seine handwerkliche Begabung. Aurelio soll Michelangelo lediglich Modell stehen und zwischendurch einfache Arbeiten verrichten, wird aber schon bald zu einem engen Vertrauten des Meisters. Das sorgt durchaus für Spannungen unter den Mitgliedern der Künstlerwerkstatt, die Michelangelo für die Arbeit am Fresko um sich versammelt hat. Aber auch sein unberechenbares Temperament, seine tiefe innere Zerrissenheit und die panische Angst, von anderen Künstlern übertroffen zu werden, machen seinen Kollegen das Leben nicht leicht. Noch dazu ist es mehr als gefährlich, seine Ideen, die sich immer mehr vom eigentlichen, offiziell genehmigten Entwurf des Gemäldes entfernen, ausgerechnet in der Kirche der Papstwahl umzusetzen.
Michelangelo wird sowohl in seinen künstlerischen Vorstellungen als auch in seiner Arbeitsweise immer kühner. Und dann schickt er sich auch noch an, die heimliche Kurtisane des Papstes in ihrer überirdischen Schönheit darzustellen, obwohl es schon bei schwerer Strafe verboten ist, ihren Namen auch nur zu flüstern…
Leon Morell erzählt so ausgesprochen gut und kenntnisreich, dass es eine wahre Freude
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