Im Griff von Stephan Enter

In Deutschland noch weitgehend unbeachtet, in den Niederlanden jedoch als DER niederländische Roman der letzten Jahre gefeiert, ist vor wenigen Tagen der zweite deutsche Roman von Stephan Enter erschienen.
Eine ehemals verschworene Gruppe von Bergsteigern, nämlich Paul, Vincent, Martin und Lotte, hat sich über die Jahre aus den Augen verloren. In ihrer Studentenzeit unternahmen sie mehrere gemeinsame Klettertouren, doch nach Beendigung des Studiums hat es die meisten von ihnen in unterschiedliche Richtungen verschlagen, und sie verloren sich aus den Augen. Nun, 20 Jahre nach ihrer letzten gemeinsamen Tour, hat Martin (der inzwischen mit Lotte verheiratet ist und ein Kind hat) sie alle zu sich nach Wales eingeladen. Vincent und Paul treffen sich auf der Zugfahrt nach England, und während dieser gemeinsamen langen Anreise denkt jeder von ihnen über die gemeinsame Vergangenheit nach. Insbesondere geht es dabei um die Beziehungen der so unterschiedlichen Gruppenmitglieder zueinander und, wie sich nach und nach herausstellt, um ein besonderes Erlebnis auf ihrer letzten gemeinsamen Reise in den norwegischen Lofoten. Auch Martin reist mit seiner kleinen Tochter mit dem Bus zum Bahnhof Swansea, wo er seine Freunde treffen will, und hat während dieser Fahrt viel Muße zum Nachdenken. So stellt sich für uns Leser allmählich heraus, dass die Gruppenmitglieder ihre eigene Rolle innerhalb der Gruppe oft ganz anders eingeschätzt haben als die übrigen und dass besonders ein Erlebnis auf ihrer letzten gemeinsamen Klettertour von allen Dreien nur bruchstückhaft wahrgenommen wurde und lediglich Lotte wohl den ganzen Zusammenhang kennt. Doch eben diese Lotte lernen wir Leser als einzige nicht näher kennen, denn sie steht dem Treffen der Gruppe skeptisch gegenüber und hält sich fern.
»Im Griff« ist ein faszinierendes Buch über Freundschaft und Liebe, über eigene Lebensentwürfe und die Frage, wie sehr diese abhängig sind von den Personen, mit denen wir verbunden sind. Obwohl die Gruppe als Klettergemeinschaft die Berge fest im Griff hatte, merkt man nach und nach, dass dies auf ihre weiteren persönlichen Entwicklungen ganz und gar nicht immer zutrifft – trotz scheinbar erfolgreiches Leben, die sie alle führen. JR

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