Kalte Macht von Jan Faber

Natascha Eusterbeck, Mitte 30 und glücklich verheiratet mit Henrik, hat einige Jahren als Referentin im mecklenburgischen Wirtschaftsministerium und dann kurze Zeit als Abgeordnete im Bundestag gearbeitet, als sie überraschend von der Kanzlerin persönlich als Staatssekretärin ins Kanzleramt berufen wird. Offiziell soll sie die Strukturen und die Effizienz der Arbeit im Kanzleramt überprüfen. Dies wundert nicht nur viele Außenstehende, sondern auch Natascha selbst, denn als völliger Neuling muss sie sich ja erstmal aufwendig ein Bild der Situation machen. Daher sind sich alle schnell einig, dass Nataschas eigentlicher Auftrag ein ganz anderer sein muss. Und tatsächlich gibt die Kanzlerin ihr zu verstehen, dass sie von Natascha Informationen anderer Art erwartet, nämlich darüber, wer im Kanzleramt mit wem kungelt und geheime Seilschaften pflegt – denn: „Wenn das hier ein Netz ist, will ich die Spinne sein“. Angeblich sei Natascha als Außenstehende besonders geeignet für diese Aufgabe, und außerdem könne ihr Mann als externer IT-Berater im Kanzleramt tätig werden und sie bei ihrer Arbeit unterstützen.
Etwas überrascht, aber dennoch auch geschmeichelt, stürzt sich Natascha in die ihr anvertraute Arbeit. Doch macht sie diese so gut, dass sie nicht nur die ohnehin schon misstrauischen Kollegen größtenteils weiter gegen sich aufbringt, sondern dass sie auch noch einem geheimen Komplott um die Ermordung des ehemaligen Nationalbank-Chefs Dr. Ritter auf die Spur kommt. Zu spät begreift sie, dass dieses Komplott aufzudecken ganz bestimmt nicht zu ihren Aufgaben gehörte und dass sie in Lebensgefahr schwebt…
Jan Faber ist angeblich das Pseudonym eines Insiders im Politik-Betrieb, der auch für führende deutsche Zeitungen schreibt. Wieviel an der Geschichte um die Ermordung des Dr. Ritter dran ist, wage ich nicht zu beurteilen – es ist aber vollkommen klar, dass damit der Bundesbank-Chef Alfred Herrhausen gemeint ist. Auf jeden Fall ist es überaus interessant und spannend zu lesen, wie die Machtstrukturen im Kanzleramt funktionieren und wie die Arbeit überhaupt vonstatten geht. Es ist ernüchternd mitzubekommen, wie wenig es um die Sache oder um das Gemeinwohl geht, sondern lediglich um Macht und Machterhaltung – egal um welchen Preis – und zwar unabhängig davon, welche Partei gerade an der Regierung ist. Aber irgendwie haben wir es ja schon immer geahnt…
Auf jeden Fall ist dies DAS Buch zur Bundestagswahl. Anspielungen auf aktuelle Politiker sind kaum verhohlen, auch wenn die Namen immer geändert sind. Da es sich allerdings um einen Roman und nicht um ein Sachbuch handelt, können wir natürlich nicht von einem Tatsachenbericht ausgehen. Vieles wird (hoffentlich!) überzeichnet dargestellt sein. Einziger Kritikpunkt meinerseits ist, dass der Autor versucht, dermaßen vielen Charaktere in seine Romanhandlung einzubeziehen, dass viele von ihnen kaum beschrieben werden und man irgendwann mit den Nebenfiguren durcheinanderkommt. Die Haupthandlung lässt sich aber dennoch weiter gut verfolgen. Ein spannender Polit-Thriller! JR

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