Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert von Joël Dicker

Hin­ter diesem etwas sper­ri­gen Titel ver­birgt sich eine unglaublich unter­halt­same, sehr erfrischend geschriebene Geschichte, die mehr als 700 Seit­en span­nen­des Lesev­ergnü­gen bietet:
Der junge Schrift­steller Mar­cus Gold­man ist mit seinem ersten Roman ganz oben auf den Best­sellerlis­ten gelandet, hat Ruhm und Reich­tum aus­giebig genossen und ste­ht nun plöt­zlich ganz ohne Ideen für ein neues Buch unter unerträglichem Ter­min- und Erfol­gs­druck. Die Nachricht, dass sein väter­lich­er Fre­und und Lehrer, der berühmte Roma­nau­tor Har­ry Que­bert nach einem Leichen­fund in seinem Garten in Auro­ra in großen Schwierigkeit­en steckt, bietet Mar­cus einen willkomme­nen Vor­wand zur Flucht aus New York. Er fährt Hals über Kopf nach Auro­ra, quartiert sich in Har­rys Haus ein und ver­sucht, während dieser im Gefäng­nis sitzt, die Wahrheit über einen 30 Jahre zurück­liegen­den Mord her­auszufind­en, der Har­ry Que­bert ange­lastet wird. Dabei stößt er auf über­raschende, geheime Verbindun­gen zwis­chen den ihm ver­meintlich bestens bekan­nten Bewohn­ern der kleinen Stadt und erfährt aller­hand pikante Details aus ihrer Ver­gan­gen­heit. Auf diese Weise entste­ht allmäh­lich eine sehr auf­schlussre­iche Gesellschaftsstudie. Gle­ichzeit­ig nimmt die Aufk­lärung des Ver­brechens viele uner­wartete Wen­dun­gen und fast jed­er Bewohn­er von Auro­ra ist irgend­wie verdächtig. Während Mar­cus noch an dem Her­gang dieses Mordes rät­selt, riecht sein Ver­leger im fer­nen New York bere­its eine ganz große Sen­sa­tion und ver­langt von Mar­cus ein Buch über diesen Fall – möglichst schnell, möglichst reißerisch und ohne Rück­sicht auf lebende Per­so­n­en. Dabei will Mar­cus doch ein­fach nur ganz uneigen­nützig seinem Fre­und helfen – oder etwa doch nicht?
Joël Dick­er kon­stru­iert hier eine vielschichtige Hand­lung, die auf zwei Zeit­ebe­nen – 1974 und 2008 spielt und viele ver­schiedene Per­so­n­en ein­bezieht, ohne dabei jemals unüber­sichtlich zu wer­den. Sein Roman ist Kri­mi, Gesellschaft­sro­man, eine Schilderung des heuti­gen Lit­er­aturbe­triebes, Fre­und­schafts­geschichte und Liebesro­man in einem. Er hat zwar manch­mal ein paar kleine Anfänger-Schwächen, entwick­elt aber so unglaublich viel Schwung, dass er seine Leser ein­fach darüber hin­weg mitreißt. Ein toller Aus­gle­ich für trübe, lang­weilige Win­tertage!

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