Stamm_Weit_ueber_das_Land

„Weit über das Land“ von Peter Stamm

Astrid und Thomas sind seit Jahren glücklich verheiratet, haben zwei schulpflichtige Kinder, ein eigenes Haus, führen ein übersichtliches, unproblematisches Leben und sind gerade aus sehr harmonischen Ferien zurückgekommen. Sie beschließen diesen Tag vor der Rückkehr in den normalen Alltag in gemütlich wirkender Zweisamkeit mit einem Glas Wein im Garten. Als Astrid den Sohn weinen hört, geht sie hinein, um ihn zu beruhigen. Thomas verweilt noch einen Moment, dann steht er auf und geht. Einfach so, ohne erkennbaren Grund, ohne Ziel, ohne irgendetwas mitzunehmen verlässt er den Garten, seine Straße, das Dorf. Er geht immer weiter, weit über das Land, lässt die Familie und sein ganzes bisheriges Leben hinter sich und kann selbst nicht sagen warum.
Astrid ist plötzlich so müde, dass sie sich direkt schlafen legt, ohne noch einmal nach Thomas zu sehen. Am Morgen ist sie zwar erstaunt, dass er nicht im Bett liegt, wird aber vom alltäglichen Morgenritual so abgelenkt, dass sie völlig vergisst, sich zu wundern. Zwei volle Tage erfindet sie für die Kinder und für sich selbst alle möglichen Ausreden für Thomas. Erst dann geht sie zur Polizei, wo man ihr allerdings auch nicht wirklich weiterhelfen kann.
Peter Stamm erzeugt eine gewisse Spannung, indem er diese Geschichte abwechselnd aus Thomas‘ und Astrids Perspektive erzählt. Er stellt sehr genaue Landschafts- und Detailbeschreibungen einer manchmal zwischen Realität und Traum verschwimmenden Handlung gegenüber, vermeidet konsequent jede handfeste Begründung für das Verhalten seiner Figuren und lässt seinen Lesern dadurch enorm viel Freiraum für eigene Gedanken. Wer hätte nicht schon einmal davon geträumt, einfach zu gehen oder ‚albgeträumt‘ plötzlich verlassen zu werden? Bei dieser Lektüre darf man solche Vorstellungen im sicheren Raum eines schlichten, poetischen Textes hemmungslos ausprobieren, über Sinn und Unsinn des Lebens philosophieren und sich nebenbei vom Autor zu einem überraschend positiven Ziel führen lassen.
Ein ruhiger, sehr lesenswerter Roman, der mich gerade wegen seiner Einladung zur Gedankenfreiheit wirklich begeistert. – Ilse Rölcke

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