Der Apfelbaum von Christian Berkel

Als seine Mut­ter langsam dement wird, drängt es den Schaus­piel­er Chris­t­ian Berkel, die Ungereimtheit­en und weißen Fleck­en in den Erzäh­lun­gen sein­er Mut­ter aufzudeck­en und Licht in’s Dunkel zu brin­gen. Er führt Inter­views mit sein­er Mut­ter, liest alte Briefwech­sel und recher­chiert in Archiv­en. Dabei stößt Berkel auf eine unglaublich span­nende, vielfältige Fam­i­liengeschichte, von der ihm vorher nur Auss­chnitte bekan­nt waren. In Roman­form bringt er die Geschichte sein­er Mut­ter Sala und seines Vaters Otto zu Papi­er.
Die bei­den begeg­nen und ver­lieben sich früh in ihrem Leben – sie ist 13, er 17 Jahre alt, als Sala Otto bei einem Ein­bruch in ihrem Eltern­haus über­rascht und ihm hil­ft, sich vor der Polizei zu ver­steck­en. Bei­de kom­men aus vol­lkom­men unter­schiedlichen Ver­hält­nis­sen und sind den­noch unab­hängige, nicht angepasste Men­schen, die füreinan­der bes­timmt scheinen. Doch Salas jüdis­che Herkun­ft müt­ter­lich­er­seits und der nahende 2. Weltkrieg führen dazu, dass die zwei sich immer wieder tren­nen müssen und aus den Augen ver­lieren. Erst viele Jahre nach Kriegsende find­en sie schließlich wieder zueinan­der. In der Zwis­chen­zeit passieren bei­den, aber ins­beson­dere Sala mit ihren jüdis­chen Wurzeln, schreck­liche, fast unaussprech­liche Dinge, die sie jedoch mit viel Mut und des öfteren auch ein­fach mit glück­lichen Zufällen und der Hil­fe mutiger Mit­men­schen meis­tert.
Chris­t­ian Berkel geht in sein­er Suche nach der Ver­gan­gen­heit aber sog­ar noch weit­er zurück und ver­sucht aufzuzeigen, warum Sala und Otto zu so außergewöhn­lichen Per­sön­lichkeit­en wur­den, indem er ihre Herkun­ft beschreibt. So nimmt er uns mit ins Arbeit­er­m­i­lieu Berlins Anfang des 20. Jahrhun­derts, in welchem Ottos Mut­ter es schw­er hat­te, sich und die Kinder durchzubrin­gen, da ihr ständig die Ehemän­ner abhan­den kamen – sei es durch Krankheit­en oder Kriege. Ottos Kind­heit war daher geprägt von Kinder­land­ver­schick­ung zu grausamen Pflegeel­tern, Hänse­leien von Klassenkam­er­aden auf­grund sein­er gerin­gen Kör­per­größe und Schläge vom Adop­tiv­vater. Doch er schafft es, sich durchzubox­en und den Respekt der anderen zu erkämpfen. Später gelingt ihm sog­ar irgend­wann das Medi­zin­studi­um, und er wird ein ange­se­hen­er Arzt.
Sala hinge­gen kommt aus wohlhaben­dem Eltern­haus, doch aus einem gän­zlich unkon­ven­tionellen: Ihre Eltern haben sich in der Kom­mune auf dem Monte Ver­itá ken­nen­gel­ernt und rel­a­tiv früh in ihrer Kind­heit wieder getren­nt. Sala ist bei ihrem Vater geblieben, der offen beken­nt, dass er nicht nur Frauen liebt. In ihrem Haus gehen bekan­nte Per­sön­lichkeit­en ein und aus, ihr Vater ist sehr bele­sen und gebildet.
In wun­der­bar ele­gan­ter und flüs­siger Sprache beschreibt Chris­t­ian Berkel in diesem Roman die Geschichte sein­er Fam­i­lie. Trotz der Härte der Zeit hat das Buch immer wieder Momente, in denen man schmun­zeln kann und keinen trau­ri­gen oder düsteren Grund­ton.
Die Erzäh­lung lässt uns Leser mit größter Bewun­derung für die Eltern Berkels zurück. Beson­ders als Hör­buch – natür­lich meis­ter­haft gele­sen vom Autor selb­st – ist dieses Buch ein wirk­lich­er Genuss. Chris­t­ian Berkel ist wirk­lich ein großar­tiger Autor. Oder mit den Worten von Daniel Kehlmann: „Dieser Mann ist kein schreiben­der Schaus­piel­er. Er ist Schrift­steller durch und durch. Und was für ein­er.“ JR

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