Alle sieben Wellen von Daniel Glattauer

Emmi schreibt E‑Mails. E‑Mails an Leo, ihren über alles Geliebten, ihren ver­trautesten Fre­und, den sie nie gese­hen hat, den sie nur aus seinen E‑Mails ken­nt und in dessen wort­ge­wandtes Wesen sie sich ret­tungs­los ver­liebt hat. Die Antwort kommt prompt: ACHTUNG: GEÄNDERTE E‑MAIL-ADRESSE. DER EMPFÄNGER KANN SEINE POST UNTER DER GEWÄHLTEN ADRESSE NICHT MEHR ABRUFEN.NEUE E‑MAILS IM POSTEINGANG WERDEN AUTOMATISCH GELÖSCHT. FÜR RÜCKFRAGEN STEHT DER SYSTEMMANAGER GERNE ZUR VERFÜGUNG.

Aber Emmi wäre nicht die Emmi Roth­n­er, die wir schon aus Daniel Glat­tauers Roman „Gut gegen Nord­wind“ ken­nen, wenn sie ein­fach so aufgeben würde. Sie ver­sucht es behar­rlich, ent­fal­tet  ihren ganzen Charme gegen die uner­bit­tliche Mas­chine (automa­tisierte Antwort?), Wochen, Monate, aber der Sys­tem­man­ag­er zeigt ihr stets die kalte Schul­ter. Plöt­zlich, nach über neun Monat­en antwortet Leo, unge­wohnt kurz und kühl, aber immer­hin ist er es selb­st. Er war beru­flich in Boston, hat dort eine neue Frau ken­nen­gel­ernt und will dem­nächst mit ihr zusam­men­ziehen. Hätte er das in aller Ruhe tun wollen, hätte er eben nicht auf Emmis let­zte Anfrage antworten dür­fen. So flammt ihre lei­den­schaftliche Schreibbeziehung sehr schnell wieder auf. Eigentlich nur, wie Emmi vorschlägt, um sie anders zu been­den als durch diese extrem unper­sön­liche, automa­tisierte Antwort. Emmi wün­scht  sich nun endlich ein per­sön­lich­es Tre­f­fen mit Leo. Der wiederum ist zuerst skep­tisch, und schon geht es wieder hin und her mit dem aus­ge­feil­ten Schlagab­tausch, der die bei­den einan­der immer noch näher bringt. „Hört denn das nie auf mit diesem Rumgez­icke?“, fra­gen kri­tis­che Stim­men? Doch, natür­lich, denn auch dieser Roman geht irgend­wann zu Ende. Und wer sich auf den geistre­ichen, spitzfind­i­gen, sprach­lich ein­ma­lig schö­nen E‑Mailaustausch ein­lassen mag, kann sich auf allen sieben Wellen im Auf und Ab dieser Beziehung wun­der­schön treiben lassen. Der Sage nach sollen immer sechs Wellen mit san­fter Regelmäßigkeit auf den Strand rollen, während die siebte anders, höher, kräftiger, unbändi­ger und somit häu­fig für eine umwälzende Über­raschung gut ist – und die bringt es dann, das andere Ende für Emmi und Leo…

Wer nicht ger­ade eine real­is­tis­che Liebesgeschichte sucht, son­dern ein­fach die sprach­liche Ele­ganz dieser E‑Mails, Emmis spritzige Kom­mentare und Leos the­o­retis­che bis zärtliche Antworten genießen kann, wird großes Vergnü­gen an diesem Buch find­en. Das Ende ist allerd­ings zweifel­haft, jeden­falls für meinen Geschmack. Aber wer’s anders möchte, kann ja (nochmal) „Gut gegen Nord­wind“ lesen.

4 Kommentare zu „Alle sieben Wellen von Daniel Glattauer“

  1. Es ist erstaunlich, wie fan­tastisch Daniel Glat­tauers Sprachge­fühl entwick­elt ist, und wie er aus schein­baren Neben­säch­lichkeit­en, etwas Wun­der­bares macht.

    Ich habe eben erst Eure Seite ent­deckt — ganz große Klasse!!

  2. Das Buch hat mir wirk­lich gut gefall­en, man kon­nte sich gut in die Per­so­n­en und ihre Gefühlswelt hinein­ver­set­zen. Außer­dem schreibt Daniel Glat­tauer sehr sou­verän in sehr abwech­slungsre­ich­er und gewitzer Sprache. Das Buch ist wirk­lich zu empfehlen, auch die fort­set­zung kann sich sehen lassen, kommt aber nicht ganz an den ersten Teil her­an.

  3. Das Geschichte ist sehr ein­fühlsam erzählt. Ich habe es mein­er Mut­ter geschenkt und es vorher sel­ber noch gele­sen, obwohl ich den ersten Teil nicht gele­sen habe.
    Daniel Glat­tauer schreibt unglaublich gut und es macht immer Spass ein Buch von ihm zu lesen. Heute bin ich ein richtiger Fan von ihm gewor­den und kann sein anderes Buch “Der Wei­h­nacht­shund” sehr empfehlen.

  4. Daniel Glat­tauer schreibt unglaublich gut und es macht immer Spass ein Buch von ihm zu lesen. Heute bin ich ein richtiger Fan von ihm gewor­den und kann sein anderes Buch “Der Wei­h­nacht­shund” sehr empfehlen.
    Aber “Gut gegen Nord­wind” und “Alle sieben Wellen” sind genial!

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