Buntschatten und Fledermäuse von Axel Brauns

Axel Brauns’ Buch einzuordnen fällt schwer: am ehesten vielleicht unter »Erfahrungen«. Es handelt sich bei diesem Buch voller wunderschöner Wortkreationen um den Bericht eines  Autisten über seine Kindheit und Jugend sowie über die sich ganz allmählich vollziehende Überwindung der Krankheit. Am Ende des Buches steht zwar nicht die vollständige »Genesung« des jungen Menschen, aber immerhin die Erkenntnis, worin er sich eigentlich von anderen Menschen unterscheidet.
Erfahrungen eines Autisten
Der lange Weg dorthin ist gesäumt von für »normale« Menschen ganz alltäglichen Dingen, die aber für einen Autisten durchaus nicht selbstverständlich sind: so geht er zum Beispiel regelmäßig zum Flötenunterricht. Wie wir aus seiner heutigen Perspektive erfahren, ist er zwar völlig unmusikalisch gewesen und das Flötenspiel an sich war ihm auch gar nicht wichtig, aber »… wichtig waren die Fußwege zum Flötenhaus und zurück. Dieser dreigute Teil meines Lebens durfte mir nicht genommen werden.« Dreigut, auch so ein schönes Wort von ihm …
Ebenso wie die Bezeichnungen für die Menschen in seiner Welt. Er unterteilt sie in Buntschatten (die freundlichen, lieben Menschen, die ihm vertraut sind) und Fledermäuse (die gesichtslose Masse, die ihm meist nicht wohl gesonnen ist).
Ganz nebenbei erfährt der Leser Einiges über den Autismus an sich, beispielsweise dass Muster und Regelmäßigkeiten ganz entscheidend und wichtig sind.
Obwohl Axel Brauns zu normalen Schulen geht und sogar ein guter Schüler ist (er versteht zwar nicht immer alles, kann aber fantastisch auswendig lernen und wiedergeben), merkt auch er selbst immer wieder, dass er anders ist als andere Personen. Am erschütterndsten wird dies deutlich in der Schilderung von Situationen wie dem Tod des Vaters: Das Kind Axel versteht einfach nicht, warum die Mutter und der Bruder weinen und alle Menschen ihn anders behandeln. Aus Solidarität weint er zwar mit, aber im Grunde ist sein Vater doch bloß auf den Friedhof umgezogen, oder ?
Dieses teilweise lustige, teilweise aber auch erschütternde Buch schafft es, dem Leser eine äußerlich ganz normal erscheinende Kindheit aus einer gänzlich anderen Perspektive darzustellen und ihn in diese fremde Welt hineinzuziehen. Ganz nebenbei begeistert Axel Brauns dabei mit seiner schönen, manchmal fast poetischen Sprache, in der immer wieder neue Wortschöpfungen zu finden sind. Mir hat das Buch außerordentlich gut gefallen – es ist einfach mal etwas ganz Anderes.

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