Sverre Lauritzen, der mit seinen Brüdern am Polytechnikum in Dresden Ingenieurswissenschaften studiert, um seinem Heimatland behilflich zu sein bei dem ehrgeizigsten und schwierigstem Problem Norwegens, ergreift in einer Nacht kurz vor der Abreise in die Heimat die Flucht.
Er folgt seiner großen Liebe Albert nach England. Dort stellt er erstaunt fest, dass sein Albie nicht nur
Bauer auf dem eigenen Hof, sondern Earl Albert von Manningham – der 13. – ist. Wegen der Vorurteile
der damaligen Zeit für solch eine Verbindung geben die beiden Männer sich in der Öffentlichkeit
als gute Studienfreunde aus, die zusammen eine eigene Firma gründen. Beide haben ihre ganz eigenen
Leidenschaften – Sverre für die Malerei und Albie für die Dichtung – und noch eine große Liebe zueinander.
Das ganze Glück währt aber nicht lange. Wie man sich vorstellen kann, müssen die Beiden ständig aufpassen, denn in der damaligen Zeit veranstaltet der englische Staat eine regelrechte Hetzjagd
auf alles was anders ist. Damit ist beileibe nicht nur Homosexualität gemeint, sondern auch z.B. das Frauenwahlrecht und ähnlich moderne Errungenschaften. Das treibt so viel Stilblüten, dass Sverre sich vorsichtshalber mit der Schwester von Albie – Margie – verlobt. Auch Margie passt so gar nicht in die damalige Zeit. Sie ist freizügig im Gedankengut und aufgeschlossener, als eigentlich gut für sie sein kann.
Ganz anders ist die Dritte im Bunde der Geschwister Manningham aus England, deren größtes Ziel es ist
eine gute Partie zu machen und somit nicht mittellos der Fürsorge des 14. Earls of Manningham anheimzufallen.
Denn dass ihr Bruder es nicht schafft einen standesgemäßen Erben zu zeugen, liegt in der
Natur der Sache. Wer »Die Brüder« zuerst liest, kann sich auf ein
unterhaltsam und toll geschriebenes (und beschriebenes) Sittengemälde der Anfänge des letzten
Jahrhunderts freuen. Die Hintergründe der Geschwister aus Norwegen werden immer wieder
angerissen und eben eigentlich genug Wissen mit. Wer allerdings schon im
letzten Herbst »Die Brückenbauer« gelesen hat, hat sich möglicherweise unbändig auf die klar im Schluss zu vermutende Fortsetzung gefreut. Denn im ersten Teil kommt das weitere Schicksal Sverres nicht zum Tragen. Hätte Jan Guillou dieses mit in das erste Buch integriert, wären es deutlich mehr als die fast 800 Seiten geworden, die das Werk ohnehin schon aufwies, und damit für viele Leser abschreckend lang. Im zweiten Band um die Familie Lauritzen bzw. den Ableger Sverre kommt mir persönlich genau diese Familiengeschichte etwas zu kurz. Zwar fahren Sverre und Albie einmal nach Hardangervidda und treffen dort auch die Mutter, aber das war dann schon alles. Wer auf eine gefühlvolle Familienversöhnung gehofft hat, wird enttäuscht. Rechtzeitig bevor Sverres Bruder Lauritz heimkommt, sind die beiden Männer wieder weg. Der unterhaltsame Schreibstil von Jan Guillou macht
das Lesevergnügen trotzdem zu einem rundum gelungenen Erlebnis, und genau deswegen ist dieses Buch eine klare Empfehlung für den Gabentisch, für den Wunschzettel oder den eigenen sofortigen »Verzehr«.

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